4. Dezember 2012

Embargos in der Games-Industrie: Sind Games-Journalisten Schoßhündchen der Publisher?

Die Idee zu diesem Text kam mir vor längerer Zeit, als unter anderem diverse Seiten in England über problematische Beziehungen zwischen den Pressemanagern und Games-Journalisten geschrieben haben.
Embargos gehören in der Unterhaltungsindustrie mittlerweile zum Usus. Doch was sind Embargos eigentlich?

Ein Embargo ist eine Auflage an den Journalisten der - in der Regel - noch vor Auslieferung des Spiels zugestimmt werden muss, das bestimmt über welche Spielinhalte wann in welcher Art und Weise berichtet werden darf. Während Embargos sich vor einiger Zeit auf den bloßen Zeitpunkt von der Veröfflichung von Inhalten bezogen (z.B. Screenshots, Trailer, Reviews, Previews etc.) gehen Embargos heute noch weiter. So darf z.B. vermehrt erst ab einem bestimmten Datum über Spielinhalte aus den letzten Abschnitten des Spiels berichtet werden. Manche Publisher gehen sogar so weit, dass Berichte vor einem bestimmten Datum nur vorgefertigtes Spielmaterial zeigen dürfen - nicht das was der jeweilige Journalist während seines Tests aufgezeichnet hat (jüngst z.B. bei Halo 4 so gewesen).

Halo 4 hatte ein besonders umfangreiches Emb... Mist, dürfen wir das Bild zeigen?!


Embargos haben - in ihrer Idee - für Publisher vor allem einen wirtschaftlichen Zweck. Ein Review-Embargo bis zum Releasetag des Spiels (oder sogar darüber hinaus) gewährleistet, dass Spieler ihre Vorbestellungen durch mögliche negative Testberichte nicht stornieren. Es erhöht gleichermaßen die Chance, dass Spieler am Releasetag in die Läden gehen und sich das Spiel kaufen. Ein verfrühte Veröffentlichung von negativen Berichten würde diese Zahlen drücken, so dass Vollpreis-Verkäufe ausfallen, Gebrauchsverkäufe frühzeitig steigen und Spieler möglicherweise auf einen Preisfall warten.Das Ganze kann aber auch genau umgekehrt passieren. Ist man von seinem Spiel überzeugt - so wie Take-Two es sicherlich mit Grand Theft Auto 5 sein wird - kann man auch auf das Embargo verzichten und pre-release Berichte erlauben, wodurch der Hype und die Vorbestellungen um ein Spiel sogar noch verstärkt werden können.

Für Publisher machen Embargos also durchaus Sinn. Oder..? Wie ist es mit Konsumenten und Journalisten der Fachpresse?
Bei den Journalisten stellt sich bei diesen Handlungen die gemeine Frage: ist das eigentlich noch Journalismus? Oder, um es noch weiter auf die Palme zu treiben, ein Zitat von Hugh Carleton Greene: "Nennen Sie mir ein Land, in dem Journalisten und Politiker sich vertragen, und ich sage Ihnen, da ist keine Demokratie."
Wenn man die Art der Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Publishern auf die politische Ebene überträgt, dann ist dass in etwa so, als wenn Angela Merkel eine Pressekonferenz zu den umweltpolitischen Themen der CDU hält und das Embargo zur entsprechenden Berichterstattung auf Oktober 2013 setzt. Das Beispiel ist definitiv übertrieben, zeigt aber die Tendenz in die sich Dinge entwickeln.

Denn was machen Games-Journalisten heute? Seht euch bitte auf den gängigen Seiten im Internet um, ihr werdet überall mehr oder weniger die selben News und Berichte finden. Alles aus einem Trog genannt Presseverteiler gefischt, der jeden Tag von den Publishern mit neuen Embargos aufgefüllt wird. Das aufregendste was noch passieren kann ist ein "Leak" von Informationen, wobei alleine davon 80% seitens der Publisher als PR-Gags geplant sind. Kritische Berichterstattung bzw. das nicht-"regelkonforme" Mitspielen seitens der Journalisten fehlt. Denn man möchte ja weiterhin zu den exklusiven Previewevents der Publisher eingeladen und Material zugeschickt bekommen - man will es sich ja mit niemandem verscherzen! Und man will durch Brechen der Embargo-Regeln natürlich auch nicht den braven Kollegen anderer Seiten auf die Füße treten, indem man sich im Vorfeld die Aufmerksamkeit der Leser erhascht.

Die Hauptproblematik dabei: Diese Regeln gelten nur für die großen Publisher. Wenn die Heinz Müller GmbH ihr Wimmelbild-Spiel Schulhof-Detektivin Monika zu einem Journlisten schickt, dann kann sie froh sein wenn das Spiel irgendwo erwähnt wird. Entsprechend niedrig sind die Chancen etwas mit Veröfflichungs-Embargos zu reißen, das Spiel wandert höchstens verschweißt ins Lager und der Publisher hat nichts davon. Während kleine Publisher oder gar Indie-Entwickler kaum Stimme haben, haben die großen umso mehr Einfluss. Denn man will es ja nicht missen über Call of Honor: Ghost Soldier zu berichten.

Manch einer der Journalisten meint mittlerweile sogar positives in diesem Kuddelmuddel für die Spieleindustrie gefunden zu haben. So schreibt Ben Kuchera in seinem Penny Arcade Blog unter anderem:

"As the men and women who talked to me for this story have explained, embargoes exist for a number of reasons, and many of them work for reporters and reviewers when it comes to delivering solid coverage. I don’t want to get a game in the mail only to feel pressure to rush the review. Likewise, during the hustle of E3 it’s nice to get a hands-on demonstration of a game and an interview with the creator and know that you can spend time crafting a solid story without other sites running their coverage ahead of you." Quelle: Penny Arcade

Während ich ihm bei der Veröffentlichung von Games-Footage von Spielemessen wie der E3 oder Tokyo Game Show definitiv zustimme, sehe ich es umso problematischer bei den Reviews. Denn während es für die Geldbeutel der Spieler völlig egal ist wann der neuste Gameplay-Trailer zu Diablo 3 veröffentlicht wird, so ist der Bericht zur Qualität des Spiels beim schließlichen Release umso wichtiger.
"Pressefreiheit nützt nur, wenn es unbequeme Journalisten gibt", um es mit den Worten von Gerhard Kocher zu sagen, alles andere ist nur Promotion. Denn auch wenn ein Review zu einem Titel nach dem Embargo schlecht ausfällt - durch die vorherige Regulierung durch den Publisher mit Hilfe des Embargos konnte zumindest finanzielle Schadensbegrenzung gewährleistet werden. Gut für den Publisher und dessen Mitarbeiter die den Mist designed und verkauft haben, schlecht für den Konsumenten der 50 bis 70 Euro für ein schlechtes Spiel ausgegeben hat.

Doch was ist mit dem Konsumenten? Bisher sind wir davon ausgegangen dass dieser blind alles frisst was die Games-Journalisten ihm zuwerfen, während der Publisher mit den Embargos genau die richtige Strategie fährt.
Ich denke spätestens der Horror rund um das Ende von Mass Effect 3 Anfang des Jahres hat gezeigt, dass durch die Reichweite des Social Web mittlerweile auch Konsumenten eine Art der Kommunikation untereinander gefunden haben, die sich von der linearen Kommunikation durch die Publisher losreißt. Review-Scores durch Fachzeitschriften, wie kürzlich von mir schon angesprochen, bedeuten heute viel weniger als früher, ebenso die allgemeinen Meinungen der Journalisten, da Communities die Spielregeln der Branche immer schneller durchschauen und kritisch reflektieren.

Mass Effect 3 hat gezeigt, wie sehr sich Meinungen von Fans und der Fachpresse unterscheiden können

Und dieser kritische Umgang sind der Hauptgrund warum ich glaube dass der vorwiegende Umgang mit Embargos sich nicht mehr lange bewähren wird. Wir sind jetzt schon an einem Punkt angelangt an dem Spieler misstrauisch werden, wenn einen Tag vor Release eines Spiels im Internet noch keine Reviews zu finden sind. Journalisten und Publisher gleichermaßen sollten sich dieser Entwicklung bewusst werden und neue Wege suchen. Denn Journalisten verlieren bei dieser Entwicklung zunehmend ihre Glaubwürdigkeit als Experten und Publisher laufen Gefahr durch vorhersehbare Veröffentlichungsstrategien doch finanzielle Verluste zu riskieren. Journalisten und Publisher liegen so nah beieinander, oder um es mit Gerhard Kochers Worten auf den Punkt zu bringen: "Hat der Journalist erst einmal den Idealismus und die Wahrheitsliebe verloren, bieten sich ihm tolle Karrieren in den Public-Relations."

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